Schriften zur Instrumentalpädagogik

Studien für den Gitarristen

Einführung: Bewegungsübung versus technische Studie 

 

Die menschliche Bewegung im allgemeinen gilt als universelles Mittel der Ausein­andersetzung zwischen Mensch und Umwelt. Die 'instrumentale Bewegung' , die Bewe­gung, die der Musizierende am Instrument ausführt, stellt einen speziellen Be­reich im Bewegungsrepertoire dar. Sie ist bestimmt durch ihren besonderen Sinn und Zweck, eine Bestimmung, die sie zu einem bewussten, zielgerichteten Verhalten macht. Dieses spezialisierte Bewegungsverhalten wird wie jedes weitere Bewe­gungsverhalten sowohl von motorischen als auch von kognitiven und psychischen Vorgängen und Abläufen beeinflusst. Motorik - Psyche - Verstand stehen hierbei in einer Wechselbeziehung zueinander, deren Wirkung in der Praxis zum einen als Hemmung oder Blockade - etwa in Angstsituationen - oder als Aktivierung und Ge­lingen bei Sicherheit und voller Konzentration erkannt wird. 

So wie die Motorik durch Psyche und Verstand beeinflusst werden kann, lässt sich über den Bereich des Motorischen umgekehrt Einfluss auf Psyche und Verstand neh­men. Wesentlich erscheint hier die Entwicklung eines großen Repertoires an Bewe­gungsfertigkeiten sowie die Fähigkeit eines bewußten Einsatzes von Muskelanspan­nung und -entspannung. Damit soll sich der spezielle Begriff der Bewegungsstudie vom allgemeinen Begriff der technischen Studie, der meist ein rein mechanisches Training umschreibt, dahingehend abheben, dass neben den Fertigkeiten wie Kraft, Schnelligkeit, Geschmeidigkeit etc. besonders das Bewußtsein von der Bewegung und die Fähigkeit des gezielten Einsatzes von Anspannung und Entspannung geför­dert wird. 

Hier liegt das besondere Anliegen der vorliegenden 'Studien für den Gitarristen' - neben der Förderung physiologischer Fertigkeiten auch Hilfestellung zum Erlan­gen von Sicherheit durch ein Bewegungserleben zu geben. 

 

Zur Konzeption der Reihe: 

Die Reihe stellt kein Lehrwerk dar - vielmehr soll dem Lernenden und dem Lehren­den begleitendes und ergänzendes Material möglichst praxisgerecht an die Hand gegeben werden. Somit wird auf Begleittext weitgehend verzichtet - abgesehen von Ausführungsanleitungen bzw. -anregungen. 

Die Studien sind für jedes Heft sowie in der Konzeption der Reihe systematisch geordnet: zunächst werden Einzelbereiche, dann Kombinationen geübt. Die Auswahl an Übungen aus den jeweiligen Bereichen kann flexibel gestaltet werden. Für die Darstellung der Studien wurde die Tabulatur-Grafik gewählt (nur vereinzelt er­gänzt durch das Notenbild), um über das Visuelle die Systematik deutlich zu ma­chen und so dem Lernenden die Möglichkeit zu geben, die Fingersätze leichter zu verinnerlichen. Damit soll der Übende im Verlauf kürzester Zeit vom Lesen unab­hängig werden, und so ein höheres Maß an Konzentration auf den Bewegungsablauf richten können. 

 

Thomas Schäffer

Verlag Hubertus Nogatz, Düsseldorf 1987

Angst im Instrumentalunterricht

Einführung

 

Wandlungen im kulturellen Verhalten, wie sie das private und  öffentliche Leben seit Jahren bestimmen, zwingen auch die Musikpädagogik zur Sebstreflexion. Überlegungen zur Legitimation und zur konzeptionellen Revision sind nicht nur für öffentlich subventionierte Einrichtungen geboten.

Gerade ein verantwortungs­bewußter Instrumentalunterricht, sei er privat oder musikschulisch organisiert, muss seinen didaktischen Standort zwischen scheinbar intakter bildungsbürgerlicher Tradition und konsumbestimmtem Markt­opportunismus immer wieder neu definieren. Dies gilt um so mehr, als die Krise konventioneller Bildungs- und Erziehungskontexte, die das mühsame Erlernen eines Instruments unter künstlerischen Aspekten als wichtigen Bestandteil ihres kulturellen Selbstverständnisses unbefragt enthielten, nicht nur als bedauerlicher Kontinuitätsverlust resignativ beklagt werden sollte.

Viele Merkmale und Mechanismen dieser Tradition erscheinen unter dem Anspruch emanzipatorischer Erziehungsbemühungen vor allem da als fragwürdig, wo die Irrationalität von Erfolg und Mißlingen als selbstverständlich gilt, und der Mangel an reflektierter Selbststeuerung bei Lehrer und Schüler weniger als notwendiges Übel, sondern vielmehr als gesellschaftlich erwünschtes Abbild und Training zweifelhafter Herrschaftsstrukturen erlebt und bejaht wird. Nicht nur die Gefahr eines Abwanderns der Schüler zu den Angeboten billiger musikantischer Massenware, sondern gerade die Besinnung auf den Wert eines künstlerischen Unterrichts und seine immanent musikalischen wie gesellschaftlichen Aspekte verlangt eine Analyse und Aufklärung technischer, gestalterischer und psychologischer Zusammenhänge. Damit wird der Instrumentalunterricht zum Gegen­stand umfangreicher und vielfältiger Forschung, und es bleibt zu hoffen, dass die Fülle vorliegender und noch vorzulegender Teilergebnisse sich zu einem geschlossenen Bild dieses komplexen und unübersichtlichen Feldes zusammenfügt.

Ein zentrales Problem des Instrumentalunterrichts wie auch anderer leistungsorientierter Tätigkeitsbereiche ist die Angst, von den  Betroffenen mehr oder minder bewusst und mehr oder minder leidvoll erlebt. So vielgestaltig wie ihre Erscheinungsformen vom Kind bis zum Studierenden sind die - meist unangemessenen - Mittel zu ihrer Bewältigung, die von rührenden Ritualen über groteske Therapieversuche bis zu zerstörerischer Selbstmedikation reichen. An­gesichts der Verbreitung und der offenen wie latenten Ursachen und Wirkungen der Angst muss die Frage nach Hintergründen und Konse­quenzen als essentieller Beitrag zur Didaktik eines jeden Instrumental­unterrichtes angesehen werden. Der Hinweis auf den anthropo­logischen und philosophischen Rang des Problems mag andeuten, welche Tiefenstrukturen des Bewußtseins hier angesprochen sind, und welche Saiten seelischer Disposition auch dann mitschwingen, wenn es scheinbar nur um das Lampenfieber geht. Der Zusammenhang sozialisationsbedingter und aktueller Faktoren der Angst kompliziert das Problem umso mehr, als Schüler und Lehrer in ihrem Verhalten von diesem nur partiell aufklärbaren Gefüge betroffen und geprägt sind. Grundlegende Beobachtungs- und Beurteilungskategorien des dispositionellen Hintergrundes können hilfreich und klärend sein, in der Unterrichtssituation dürften aber verhaltensorientierte Methoden, die individuelle, soziale und instrumentalpädagogische Aspekte verbinden, die am ehesten praktikable Strategie darstellen.

Der Dringlichkeit des Problems entspricht dabei in hohem Maße der Anspruch an die didaktische und menschliche Kompetenz und Verantwortung des Lehrers.

Thomas Schäffer stellt sich in seiner Untersuchung dem Problem der Bewältigung einer interdisziplinären Fragestellung, für pädagogische Überlegungen eine charakteristische und unumgängliche Belastung. Der Autor reagiert auf diesen Anspruch mit einer breit abgestützten, konzentrierten und dabei übersichtlichen Darstellung. Die Bearbeitung der überaus komplexen Thematik verleugnet an keiner Stelle das leitende instrumentalpädagogische Interesse, verzichtet aber auf allzu konkrete Handlungsanweisungen. So erhält der Leser eine klärende Orientierung, ohne dass ihm die notwendige Arbeit des konkreten Bezugs zu sich und seiner Unterrichtstätigkeit abgenommen würde. Die Informationen haben den Grad von Allgemeinheit, der einen Transfer auf alle Instrumente und Altersstufen gestattet.

Es gibt Grund zu der Annahme, dass der Beitrag von Thomas Schäffer nicht nur jedem privat oder an Musikschulen arbeitenden Instrumentalpädagogen, sondern auch den Kollegen an Konservatorien und Musikhochschulen von Nutzen sein kann. Dies ist vor allem den eigentlich Betroffenen, den jungen und älteren In­strumentalschülern, für eine befriedigende menschliche und künstlerische Arbeit zu wünschen.

 

Karl-Heinz Zarius, März 1989

Verlag Hubertus Nogatz, Düsseldorf 1989


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